Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern befasst sich in Urteil 100.2018.64 U vom 21.06.2018 (kürzlich publiziert) mit einer GBL-Kürzung von 20% für sechs Monate, weil sich der Unterstützte trotz Weisung (bernische Bezeichnung für Auflagen) des Sozialdienstes nicht für eine Beratung mit dem Ziel Cannabisabstinenz anmeldete.
Gestützt auf Art. 36 Abs. 1 SHG/BE schützt das Verwaltungsgericht Bern die Kürzung. Diese sei aufgrund Nichtbefolgen einer Weisung dann zulässig, wenn die Weisung selbst zulässig ist. Eine Weisung ist zulässig, soweit dadurch die Bedürftigkeit vermieden, behoben oder vermindert oder eigenverantwortliches Handeln gefördert wird. Mithin muss eine Weisung stets dem Ziel der Sozialhilfe (“ermöglicht jeder Person die Führung eines menschenwürdigen und eigenverantwortlichen Lebens”, Art. 1 SHG/BE) dienen.
Weisungen haben einen engen Sachzusammenhang zur Bedürftigkeit oder deren Ursachen aufzuweisen, wobei sie nicht notwendigerweise ausdrücklich in einem Rechtssatz vorgesehen sein müssen, sondern sich auch aus dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck ergeben können […] Hieraus folgt, dass sachfremde oder gar dem Sinn der gesetzlichen Regelung widersprechende Weisungen nicht erlaubt sind. (E. 5.2.)
Vorliegend erachtet das Verwaltungsgericht die Weisung einerseits mit Blick auf eine erstellte Zweckmässigkeit als zulässig, zusätzlich aber auch mit Blick auf die Subsidiarität, weil die IV den Nachweis der Cannabisabstinenz zwecks Ausblendung des invalitätsfremden Cannabiskonsums bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit verlangt.
Da der Beschwerdeführer während des Abklärungsverfahrens positiv auf Cannabis getestet wurde, ist die IV auf sein Leistungsbegehren nicht eingetreten (vorne E. 4). Damit konnte nicht abgeklärt werden, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf Leistungen der IV hat, welche den Sozialhilfeleistungen vorgehen würden. Die Weisung, eine Drogenberatung in Anspruch zu nehmen, dient somit der Durchführung des Abklärungsverfahrens der IV und damit dem Grundsatz der Subsidiarität. Überdies dient die Weisung auch der sozialen und beruflichen Integration. Entsprechend stützt sie sich auf den Zweck des SHG und ist zulässig. (E. 5.4.)
Die IV-Weisung ist rechtskräftig und wird nicht mehr überprüft. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er konsumiere bloss CBD, wird denn auch damit beiseite gewischt. Indes setzt sich das Verwaltungsgericht trotz obiger Erwägung (dient auch dem Zweck des SHG) nicht mit der Frage auseinander, ob dies einen Einfluss auf die rein sozialhilferechtliche Zulässigkeit der Weisung gehabt hätte, was m.E. zumindest fraglich erscheint.
Schliesslich befasst sich das Gericht – wenn auch bloss kursorisch – mit der Verhältnismässigkeit der Massnahme (der Kürzung, nicht jedoch der Auflage). Nach teilweisem Aufführen der allgemeinen Verhältnismässigkeitsregeln und den Kürzungsregeln der SKOS-Richtlinien gelangt es zum Schluss:
Der Umfang und die Dauer der Kürzung sind durch die Kürzungsregeln der SKOS-Richtlinien gedeckt. Die Kürzung berührt weder den absolut nötigen Existenzbedarf des Beschwerdeführers noch ist dargetan oder ersichtlich, dass sie weitere Personen treffen würde. Mit der angestrebten Cannabisabstinenz könnte das Abklärungsverfahren der IV durchgeführt werden, wodurch der Beschwerdeführer möglicherweise IV-Leistungen erhalten könnte und künftig nicht mehr von der Sozialhilfe abhängig wäre. Somit besteht an der Weisung ein gewichtiges öffentliches Interesse. Auf der anderen Seite wird vom Beschwerdeführer lediglich verlangt, sich auf einen Beratungsprozess einzulassen (vgl. vorne E. 4). Dass der Beschwerdeführer diese milde Massnahme nicht umgesetzt hat, stellt angesichts des damit verfolgten gewichtigen öffentlichen Interesses ein eher schweres Fehlverhalten dar. Deshalb erscheint eine Kürzung des Grundbedarfs um 20 % während sechs Monaten nicht als rechtsfehlerhaft. (E. 5.6., Hervorhebungen durch mich)
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass eine Kürzung von 20% nach SKOS-Richtlinien und auch nach vorliegendem Entscheid (E. 5.5.) in jedem Fall auf sechs Monate zu befristen ist. Eine Auseinandersetzung mit milderen Massnahmen – sechs Monate sind bei 20% immerhin Maximaldauer – findet indes mit keinem Wort statt.
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