Im Urteil 8C_641/2023 vom 26. März 2024 befasste sich das Bundesgericht in 5er-Besetzung mit den reduzierten Sozialhilfeansätzen für vorläufig aufgenommene Personen im Kanton Bern (i.c. für einen 5-Personenhaushalt: CHF 1’684.00 statt 2’364.00). Es kommt zum Schluss, eine Ungleichbehandlung nach Aufenthaltsstatus sei grundsätzlich sachlich begründbar und die Ansätze im Kanton Bern zumindest unter Willkürkognition nicht bundesrechtswidrig.
Zur Ungleichbehandlung vorläufig aufgenommener äusserte sich das Verwaltungsgericht des Kantons Bern bereits in einem anderen Verfahren.
Zu dieser Rechtslage hat die Vorinstanz mit Urteil vom 29. Juni 2022, 100/2021/205U, publiziert in BVR 2023 S. 51 ff., festgehalten, die sozialhilferechtliche Ungleichbehandlung der vorläufig Aufgenommenen sei mit dem verfassungsmässigen Rechtsgleichheitsgebot zwar grundsätzlich vereinbar (BVR 2023 S. 51 ff. E. 6.1 ff.), doch dränge sich nach Ablauf von zehn Jahren im Status der vorläufigen Aufnahme eine Annäherung an den Grundbedarf von Einheimischen und Personen mit anerkannter Flüchtlingseigenschaft auf (BVR 2023 S. 51 ff. E. 7.8). Die Reduktion des Ansatzes für den Grundbedarf sei daher nach zehn Jahren im rechtmässigen Status der vorläufigen Aufnahme (BVR 2023 S. 51 ff. E. 7.8.2) von rund 30 % auf etwa 15 % (also 85 % des regulären Ansatzes) zu vermindern (BVR 2023 S. 51 ff. E. 8.3). Dementsprechend hat der Regierungsrat des Kantons Bern zwischenzeitlich Art. 8 Abs. 4 SHV/BE per 1. Januar 2023 angepasst sowie einen neuen Abs. 4a mit den Unterstützungsansätzen für vorläufig Aufgenommene “nach Ablauf von zehn Jahren seit Erteilung der vorläufigen Aufnahme” eingefügt. [E. 4.2., Hervorhebungen durch mich]
Die Beschwerdeführenden i.c. haben jedoch noch nicht seit 10 Jahren eine vorläufige Aufnahme. Zu Frage der sozialhilferechtlichen Unterscheidung nach Aufenthaltsstatus wiederholt das Bundesgericht vorab seine umstrittene Rechtsprechung in Bezug auf Nothilfe:
So sind bei Asylsuchenden mit einem Nichteintretensentscheid keine Integrationsinteressen zu verfolgen und angesichts des grundsätzlich vorübergehenden Charakters der Anwesenheit der betreffenden Person in der Schweiz keine dauerhaften sozialen Kontakte zu gewährleisten. Die Gewährung von Mindestleistungen ist auch gerechtfertigt, um den Anreiz zum Verbleib in der Schweiz zu verringern (BGE 139 I 272 E. 3.3 mit Hinweisen). [E. 5.2.1., Hervorhebungen durch mich]
… und erwägt ohne weitere Erklärung:
Sachlich begründete Differenzierungen zwischen Schweizerinnen bzw. Schweizern und Ausländerinnen bzw. Ausländern wie auch zwischen fremden Staatsangehörigen mit verschiedenem Aufenthaltsstatus bleiben nach der BV erlaubt (vgl. BGE 143 V 114 E. 5.3.2.1 mit Hinweisen). [E. 5.2.2.]
In den weiteren Erwägungen greift das Bundesgericht mehrfach zu
“legen die Beschwerdeführenden nicht in einer der qualifizierten Rügepflicht genügenden Weise dar…” [Sinngemäss mehrfach]
Schliesslich stützt sich das Bundesgericht auf genau die Einordnung, womit der Status der sog. “vorläufigen” Aufnahme weit von der Realität abweicht.
Soweit die Beschwerdeführenden schliesslich der Auffassung sind, der Integrationsbedarf sei gerade zu Beginn der vorläufigen Aufnahme besonders gross, während ein reduzierter Grundbedarf sich zwingend negativ auf die soziale Integration auswirke, setzen sie sich in Widerspruch zum Bundesgesetzgeber (vgl. Art. 86 Abs. 1 Satz 4 AIG und E. 6 hiervor), zumal dieser in der vorläufigen Aufnahme praxisgemäss keine Aufenthaltsbewilligung erkennt, sondern nur einen vorübergehenden Status, bis die exekutorische Massnahme der Wegweisung zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes umsetzbar ist (vgl. BGE 147 I 268 E. 4.2.1 mit Hinweisen). [E. 7.3., Hervorhebungen durch mich]
Aufgrund der Willkürrkognition und der (angeblich) nicht hinreichenden Rügen, bleibt offen, ob die Sozialhilfeansätze für vorläufig aufgenommene Personen im Kanton Bern zulässig sind. Art. 12 BV verletzen sie gemäss Bundesgericht nicht und die Unterscheidung scheint deshalb zulässig zu sein, weil auch der Bedarf unterschiedlich sei (e.g. weniger Integrationsbedarf) und Migrationskontrolle mittels Sozialhilfe zulässig sei.
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