Keine res iudicata bei gleicher Frage in vergangenem Rahmenbudget – Aufhebung aufgrund “inakzeptabler” Aktenführung

Im Urteil A1 21 71 vom 14.12.2021 befasst sich das Kantonsgericht Wallis mit einer Reihe von Beschwerden gegen Entscheide und Rahmenbudgets, welche die zuständige Gemeinde mehrfach über bereits hängige Beschwerdegegenstände erliess. Die Verfahren wurden vom Staatsrat (Vorinstanz zum Kantonsgericht) vereinigt und abgelehnt.

Die Vorinstanz wirft einerseits die Frage auf, ob die Übernahme des Mietzinses überprüft werden könne, da darüber bereits rechtskräftig im Jahr 2016 entschieden wurde (res iudicata). Durch das Kantonsgericht wird das zu Recht klar bejaht.

Vorliegend ist unter anderem das Rahmenbudget für das Jahr 2020, sprich vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2020 Streitgegenstand. Der Anspruch stützt sich damit nicht auf den gleichen Sachverhalt, der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens aus dem Jahre 2016 Gegenstand bildete. Schliesslich gilt das Rahmenbudget jeweils für eine gewisse Zeit und ist danach neu zu prüfen und zu beurteilen, je nach Veränderung der Verhältnisse. Auch wenn erneut die Frage der Übernahme der Nebenkosten Gegenstand bildet, so fussen sie nicht auf denselben Tatsachen, da es vorliegend um das Jahr 2020 geht. Die Verhältnisse sind jeweils neu zu beurteilen. (E. 5.2)

Vorliegend wurde materiell nicht entschieden, sondern im Wesentlichen (wie sooft in Sozialhilfeverfahren) Mängel in der Aktenführung festgestellt (fehlende Unterlagen und inkorrektes Belegverzeichnis). Bevor es zu einer ausführlichen Auflistung fehlender, entscheiderheblicher Akten schreitet, hält das Kantonsgericht fest:

Die Behörde hat ein vollständiges und systematisch erfasstes Dossier über das Verfahren bzw. die entscheidrelevanten Abklärungen zu führen und dieses vollständig zu hinterlegen. […] Die Akten müssen spätestens im Zeitpunkt des Entscheids durchgehend paginiert werden (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-688/2016 vom 11. Juni 2018 E. 8.1; BGE 138 V 218 E. 8; vgl. René Wiederkehr/Kaspar Plüss, Praxis des öffentlichen Verfahrensrechts, 2020, N. 509). (E. 6.2, Hervorhebungen durch mich)

Als erstes fällt auf, dass die von der Vorinstanz eingereichten Akten allesamt nicht paginiert sind. Das Aktenverzeichnis führt lediglich die Belegnummern der Akten auf. Auf den ersten Blick sind diese zumindest chronologisch aufgeführt. (6.3.1)

Bei der Durchsicht der vorhandenen Akten wird festgestellt, dass erhebliche, entscheidwesentliche Unterlagen und Dokumente nicht in den Akten enthalten sind. (6.3.2, Hevorhebung durch mich)

Dazu findet das Kantonsgericht Wallis für meine Erfahrung ungewohnt deutliche Worte.

Es ist dem Kantonsgericht schleierhaft, unerklärlich und nicht nachvollziehbar, warum sich die oben aufgeführten und genannten Dokumente und Unterlagen nicht in den Akten befinden, obschon die Behörden im Besitze dieser gewesen sein müssen, wenn sie diese zitieren und sogar die Rede davon ist, dass der Beschwerdeführer seine Belege immer zeitnah eingereicht habe (vgl. dazu Beleg Nr. 23). Das Aktenverzeichnis ist ebenfalls mangelhaft und entspricht nicht den geforderten Anforderungen. Es handelt sich um eine inakzeptable Aktenführung. Die Akten sind lückenhaft und unvollständig, die Vorinstanz hat den Sachverhalt damit nicht vollständig festgestellt und das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers ist verletzt. (E. 6.4, Hervorhebungen durch mich)

Von einer Heilung des rechtlichen Gehörs sieht das Kantonsgericht sodann – nach Erinnerung an die eigentlich einfachen Voraussetzungen der Rechtsprechung an eine Heilung – ab und hebt den Entscheid auf.

Es ist der Rechtsmittelbehörde aufgrund dessen, dass sie nicht über die nötigen Entscheidgrundlagen verfügt, gar nicht möglich, einen Entscheid in der Sache zu fällen. (E. 6.5.2)

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