Im Urteil B 2023/233 vom 14.03.2024 befasst sich das Verwaltungsgericht St. Gallen mit dem Grundrecht auf Nothilfe eines abgewiesenen Asylsuchenden und seine Kontakte zur Tochter mit vorläufiger Aufnahme in der Schweiz. Der Anspruch auf Unterbringung am gleichen Ort wie die Tochter wurde zwar abgewiesen, das Gericht äussert sich jedoch ausserhalb des Streitgegenstandes zum Anspruch auf Situationsbedingte Leistungen (SIL) zwecks Besuche der Tochter.
Der Zusammenfassung des Gerichts ist zu entnehmen:
Zum grundrechtlich geschützten Notbedarf gehören auch die finanziellen Aufwendungen, die zur Wahrnehmung elementarster Kontaktrechte im Rahmen des verfassungsrechtlich geschützten Familienlebens unerlässlich sind (E. 3.2). Der gemeinsam mit der Mutter sorgeberechtigte weggewiesene und dem Nothilfezentrum zugewiesene Vater hat im Rahmen der Nothilfe keinen Anspruch, am gleichen Ort untergebracht zu werden, wo die vorläufig aufgenommene Tochter mit der von ihm geschiedenen Mutter lebt. Er hat aber gestützt auf das Recht auf Familienleben Anspruch auf Vergütung der Reisekosten, um die bei der Mutter lebende Tochter, zu der eine seit Jahren tatsächlich gelebte, enge und tragfähige Beziehung besteht, zu besuchen (E. 4.4; Verwaltungsgericht B 2023/233). [Zusammenfassung des VGer SG]
Den Erwägungen ist zu entnehmen, dass das Sozialamt weder für Besuche der Tochter und Kindsmutter im Nothilfezentrum, noch für Besuche des Vaters bei seiner Tochter Leistungen sprechen wollte.
Auf entsprechende Nachfrage teilte das Sozialamt X. mit Schreiben vom 9. Februar 2024 mit, dass die Kosten für regelmässige Besuche des Vaters bei der Tochter in X. wie auch von Mutter und Tochter beim Vater im ANZ Sonnenberg nicht übernommen würden und die Zuständigkeit dafür dem Kanton im Sinne der Nothilfe obliege (act. 18). Dass der Kontakt wie bis anhin – also mehrmals pro Woche – ausgeübt werden könne und die Mutter oder Beiständin zusammen mit der Tochter den Vater im ANZ Sonnenberg besuchen könnten, wie die Vorinstanz ausführt, erscheint damit bereits wegen fehlender finanzieller Mittel ausgeschlossen. Im Übrigen wäre dies auch aufgrund des grossen zeitlichen Aufwands wie auch der psychischen Belastungen von Mutter und Tochter nicht zumutbar. Auch ist fraglich, dass im ANZ Sonnenberg bei regelmässigen Besuchen von Mutter und Tochter genügend Privatsphäre gewährleistet wäre. [E. 4.4]
Richtigerweise hält das VGer SG fest, dass die unterstütze Person für die Aufwände zur Wahrnehmung des verfassungs- und konventionsrechtlichen Anspruchs auf Schutz des Familienlebens (sowohl des Beschwerdeführers als auch seiner Tochter) Anspruch auf Nothilfeleistungen hat.
Die unter dem Titel Nothilfe zu leistenden Unterstützungen sind in Art. 6 Abs. 2 AsylVo nicht abschliessend aufgezählt und bestimmen sich je nach konkreter Ausgangslage und persönlichen Umständen. Entgegen der vormals vom Migrationsamt vertretenen, nicht zutreffenden Ansicht besteht eine rechtliche Grundlage für die Übernahme von Reisekosten. Eine solche ergibt sich zudem auch direkt aus Art. 12 BV. [E. 4.4]
Kontakte lediglich über Telefon zu erlauben ist sodann unzulässig. Insb. mit Blick auf die rein finanziellen öffentlichen Interessen.
Aufgrund der tatsächlich seit Jahren gelebten, engen Beziehung zwischen Vater und Tochter würde eine Unterbringung im ANZ Sonnenberg ohne die Möglichkeit, dass sich der Beschwerdeführer und seine Tochter physisch sehen, sondern nur noch über das Telefon in Kontakt bleiben könnten, angesichts der gegenüberstehenden, rein finanziellen öffentlichen Interessen einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Familienleben bedeuten, dies insbesondere auch unter dem Blickwinkel des Kindswohls.
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