Leistungseinstellung ist kein Sanktionsmittel; Bei Wiedererwägung durch Beschwerdegegnerin hat Abschreibung und nicht Nichteintreten zu erfolgen

Das Verwaltungsgericht Aargau befasst sich in WBE.2023.110 vom 07.06.2023 (kürzlich auf SwissLex publiziert) mit einem Nichteintretensentscheid auf eine Rechtsverweigerungsbeschwerde (formlose Sistierung von Leistungen der Sozialhilfe).

Korrekt hält das Verwaltungsgericht fest, dass bei (auch impliziter) Wiedererwägung resp. doch noch erfolgten Auszahlung einer “Sistierung von Leistungen” – mithin formlose Einstellung – eine Rechtsverweigerungsbeschwerde abzuschreiben ist und nicht ein Nichteintretensentscheid zu erfolgen hat, was kostenfolgenrelevant ist.

Der Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom 27. Februar 2023 auf die fehlende Unterschrift seiner Beschwerde hingewiesen, wobei ihm unter Androhung des Nichteintretens eine Nachfrist angesetzt wurde, seine E-Mail-Eingabe vom 26. Januar 2023 innert 10 Tagen zu verbessern (“Sollte das uns mit E-Mail vom 26. Januar 2023 als pdf-Datei zugestellte Schreiben vom 26. Januar 2023 Ihrer Beschwerdeschrift entsprechen, so können Sie dieses unterschreiben und uns im Original per Post innert der 10 Tagen zustellen. Ohne Verbesserung innert dieser Frist wird auf Ihre Beschwerde gemäss § 43 VRPG nicht eingetreten.”). Am 4. März 2023 reichte der Beschwerdeführer per Post eine unterzeichnete Beschwerdeschrift ein; diese entsprach inhaltlich der Eingabe vom 26. Januar 2023. Die Beschwerde gilt – nachdem ausdrücklich eine Frist zur Nachbesserung eingeräumt worden war – als am 26. Januar 2023 erhoben und erfolgte somit vor der Auszahlung vom 2. März 2023. Damit verfügte der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung noch über ein aktuelles und praktisches Rechtsschutzinteresse. Entsprechend wäre die Rechtsverweigerungsbeschwerde infolge nachträglichen Wegfalls des schutzwürdigen Interesses als gegenstandlos abzuschreiben gewesen; der Nichteintretensentscheid war folglich nicht korrekt.

E. 2.5, Hervorhebungen durch mich

Zum wiederholten Mal muss darüber hinaus ein Gericht (hier als obiter dictum) die Rolle der anfechtbaren Verfügung im Verwaltungsverfahren hervorheben.

In Anbetracht des praktizierten Rückbehalts der Sozialhilfe rechtfertigen sich ergänzend folgende Hinweise: Die formlose Sistierung von Leistungen der Sozialhilfe infolge von unentschuldigtem Fernbleiben an vereinbarten Terminen ist problematisch. Damit erfolgt eine Verweigerung von Leistungen, ohne dass eine anfechtbare Verfügung ergeht, die auf dem Rechtsmittelweg überprüfbar wäre. Selbst eine vorsorgliche (teilweise) Einstellung der Leistung hat in Form einer Verfügung zu erfolgen (vgl. GUIDO WIZENT , Sozialhilferecht, Zürich/St. Gallen 2020, S. 407; URS VOGEL , in: Das Schweizerische Sozialhilferecht, Luzern 2008, S. 165).

E. 3, Hervorhebungen durch mich

Sodann, was ebenfalls klar sein sollte:

Das Einstellen von Leistungen ist zudem kein Sanktionsmittel (vgl. Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe vom Januar 2023 [SKOS-Richtlinien], Kapitel F.3)

E. 3, Hervorhebung durch mich

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