Im zur Publikation vorgesehen Urteil 8C_18/2023 vom 05.10.2023 befasst sich das Bundesgericht mit dem selbstständigen Unterstützungswohnsitz minderjähriger Kinder bei dauerhafter Fremdplatzierung. Grundlage war eine Auseinandersetzung der Kantone St. Gallen und Thurgau ( im Richtigstellungsverfahren nach Art. 28 Abs. 1 ZUG) nach Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts beider Eltern und anschliessendem Wohnsitzwechsel eines Elters.
Das Bundesgericht erinnert zuerst an das Verfahren und die Prüfungsschranke der Richtigstellung gemäss Art. 28 Abs. 1 ZUG.
Gemäss Art. 28 Abs. 1 ZUG kann ein beteiligter Kanton eine Richtigstellung verlangen, wenn ein Unterstützungsfall offensichtlich unrichtig geregelt oder beurteilt worden ist. Anerkennt der angegangene Kanton die Richtigstellung nicht, muss er dagegen beim fordernden Kanton Einsprache erheben (Art. 33 Abs. 1 ZUG). Gegen eine allfällige Abweisung der Einsprache kann bei der zuständigen richterlichen Behörde des Kantons Beschwerde geführt werden (Art. 34 Abs. 2 ZUG). (E. 1.2., Hervorhebung durch mich)
[…] Vielmehr folgt aus dem in Art. 28 Abs. 1 ZUG verwendeten Ausdruck «offensichtlich», dass qualifizierte Gründe für eine Richtigstellung sprechen müssen und es nicht ausreicht, wenn sich eine andere Lösung ebenfalls mit sachlichen Erwägungen vertreten lässt. Die Beweislast für die Voraussetzungen der Richtigstellung trägt derjenige Kanton, der sie verlangt. Er hat die entsprechenden Nachweise zu erbringen (Urteil 8C_530/2014 vom 7. November 2014 E. 2 mit Hinweisen). (E. 4, Hervorhebung durch mich)
Nach Art. 7 Abs. 3 lit. c begründen minderjährige Kinder einen eigenen Unterstützungswohnsitz am letzten Unterstützungswohnsitz (Eltern oder Elter, bei welchem sie überwiegend wohnten), wenn sie dauernd nicht bei diesen wohnen. Dieser nun nicht mehr derivative Unterstützungswohnsitz bleibt trotz Änderung des Wohnsitzes des entsprechenden Elters bestehen. Das Bundesgericht entschied bereits früher, dass für die Qualifizierung der Dauerhaftigkeit die Absicht und nicht die tatsächliche Dauer relevant ist. Aufgrund der mit der vorsorglichen Fremdplatzierung angeordneten Begutachtung, welche unter anderem die Notwendigkeit einer dauernden Fremdplatzierung beurteilen soll, entschied das Bundesgericht, dass der Unterstützungswohnsitz mangels Dauerhaftigkeit der Fremdplatzierung mit dem Umzug der Mutter – vor definitiver Fremdplatzierung – mitgewechselt hat.
So gilt ein Kind auch nach vorsorglich vorgenommener Fremdplatzierung grundsätzlich erst ab deren definitiver Anordnung als «dauernd nicht bei den Eltern oder einem Elternteil» wohnend im Sinne von Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG, wenn für die Entscheidgrundlage noch Abklärungen, namentlich eine Begutachtung, erforderlich waren (Urteil 8C_701/2013 vom 14. März 2014 E. 4.3). Anderseits kann die Dauerhaftigkeit bereits ab dem superprovisorisch verfügten Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Eltern und der vorsorglichen Fremdplatzierung des Kindes bejaht werden, wenn keine weiteren Abklärungen notwendig waren (Urteil 8C_833/2019 vom 17. Juni 2020 E. 4.2). (E. 7.2., Hervorhebungen durch mich)
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